Hintergründe | 04.03.2022 | von Florian Carevic

Design muss funktionieren. Kunst nicht. Warum eigentlich?

Oder: Warum verpacken wir eine runde Pizza in eine quadratische Schachtel und schneiden sie anschließend in viele dreieckige Formen?

Die Antwort auf diese Frage finden wir in der Herstellung und im Verarbeitungsprozess: Der Pizzateig lässt sich als Ballen am einfachsten in eine runde Form ausrollen. In den Händen eines erfahrenen Pizzabäckers entsteht die Form schon allein durch die Fliehkräfte, die ihre Wirkung entfalten, sobald der Teig kunstvoll in der Luft rotiert wird. Für die Produktion der Kartons und das anschließende Stapeln und Verpacken erweist sich die quadratische Form des Kartons am sinnvollsten. Die dreieckige Form der Pizzastücke entsteht durch das praktische schneiden mit dem Pizzaroller. Idealerweise entsteht auch schon beim Backen ein knuspriger Rand, durch den sich das dreieckige Stück besser greifen lässt.

Die Antwort auf die Frage nach den Formen lautet also nicht: „Weil es schön ist.“ Denn die Wahl der Formen im gesamten Pizza-Prozess haben immer einen funktionalen Hintergrund: Das Ergebnis eines handwerklichen Prozesses, ein ökologischer Vorteil oder die Folge einer praktischen Produktverarbeitung. Ganz simpel gesagt: Form follows function.

Im Auge des Betrachters.

Nun ist die Pizza kein Accessoire, das wir täglich an uns tragen. Vor allem wählen wir die Form unserer Schmuck- oder Kleidungsstücke nicht aus, weil wir dahinter einen rationalen Vorteil erkennen können. Wir finden sie oberflächlich gesehen einfach nur „schön“. Tiefergehend ist die Entscheidung für Ästhetik, Schönheit oder Form für jeden Menschen jedoch eine Mischung aus bewussten und unbewussten Parametern. So kann ich mich für die Form einer Jacke bewusst entscheiden, weil ich sie gestern an einem anderen Träger gesehen und für gut befunden habe. Als unbewusstes Entscheidungskriterium kann jedoch gesehen werden, warum ich genau diese Form in der Farbe Rot als attraktiven Kauf empfinde. Vielleicht bin ich eine extrovertierte Person, die ihre positive Lebenseinstellung gerne durch eine offensive Farbe nach aussen trägt. Oder vielleicht entpuppt sich meine Jacke als eine Art Federkleid, mit dem ich vor allem den potenzielle Partner auf mich aufmerksam machen möchte. Ob bewusst oder unbewusst, es bleibt immer eine persönliche Entscheidung. Nichtsdestotrotz unterliegen wir alle in unseren Entscheidungsprozessen im Vorfeld äusseren wie inneren Einflüssen. Diese könnten sein:

  • Kulturelle Einflüsse – Beispiel: Die Farbe Rot hat nicht in jedem kulturellem Umfeld die selbe Bedeutung.
  • Soziale Einflüsse – Beispiel: Die Freundin / Der Freund fand die Farbe an mir richtig toll.
  • Aktuelle Trends und das kollektive Ästethikbewusstsein – Beispiel: Rote Sneaker werden aktuell von der Modeindustrie gepushed, weil die Subkultur sie im Vorfeld wiederentdeckt hat. Da sie viele Menschen tragen, rückt sie vor in das kollektive Ästethikbewusstsein: Rote Sneaker die mir vorher gar nicht so gut gefallen haben, kann ich mir plötzlich an mir und in meinem sozialen Umfeld vorstellen.
  • Gruppen- oder Genrezugehörigkeit – Beispiel: Als Heavy Metal Fan trage ich natürlich niemals ein rotes T-Shirt.
  • Persönliche Entscheidungen die aufgrund der Persönlichkeitsentwicklung nach aussen treten – Beispiele: „Rote Kleidung passte noch nie zu mir.“ „Ich brauche eine Veränderung!“ „Früher habe ich öfter mal ein rotes Shirt getragen. Da war alles besser.“

Zweck und Nutzen untersuchen.

Wenn wir nun die Wahlkriterien für Form und Farbe auf die Arbeit an der Marke übertragen, müssen wir erkennen, dass all die hier voran beschriebenen Punkte Beachtung finden müssen. Design als identitätsstiftendes Element gibt vor, wie wir die Marke wahrnehmen, welche Geschichte sie erzählt und ob sie in unserem Alltag einen Platz finden kann. Eine strategische Grundlage die kulturelle Zugehörigkeit, soziale Strömungen, aktuelle Trends und das kollektive Ästethikbewusstsein in der Masse kritisch beleuchtet und auswertet bildet deshalb die Grundlage für jede Markenentwicklung. Die Ergebnisse bestimmen im Anschluss das visuelle Erscheinungsbild. Die Wahrnehmung einer Marke muss also so weit es möglich ist gesteuert werden. Persönlich Vorlieben für Farben und Formen müssen immer auf Zweck und Nutzen untersucht werden. Passt auch ein aktueller Trend nicht zur ganzheitlichen Kommunikation, darf er in der visuellen Story der Marke keine Verwendung finden – sei er noch so „schön“. Die Entwicklung von kommunikativem Design und einem fokussiertem Storytelling muss also immer auf rational erarbeitetem Gerüst oder im besten Fall auf Evidenzen basieren. Zu guter Letzt ist eine Prise aus persönlicher Erfahrung und Bauchgefühl nicht zu unterschätzen.

Doch wie schaffen wir es, dass sich Ästhetik messen lässt? Die Antwort lautet: Indem wir die Menschen rund um die Marke oder das Unternehmen zu Wort kommen lassen. Durch die Mitarbeit wichtiger Stakeholder vor oder während des Prozesses lassen sich Hürden in der Konzeptentwicklung schon im Vorfeld meisten. Durch iterative Befragungen der User / Kunden kann die Kommunikation der Marke angepasst und verbessert werden. Den Menschen ist es weiterhin möglich sich mit der Story der Marke zu identifizieren, da diese wiederum auf Augenhöhe mit den Menschen kommuniziert.

„Design has to work. Art does not.“
– Donald Judd

Fazit:

Kunst macht was sie will, Design will was es macht. Jede Form und Farbe spricht oder verspricht. Ästhetik im Rahmen strategischer Markenkommunikation darf immer nur ein Mittel zum Zweck sein. Ein Tool das Marke und ihre Story stützt und diese immer dann mit Emotionen auflädt, wann immer der Kontakt zum User, Betrachter oder Kunden es verlangt. Natürlich muss Design noch mehr können als nur zu funktionieren. Es muss begeistern, leben, schillern, schreien, umarmen. Doch strategische Markenführung verlangt nach mehr.


Projekt zur Story: Ruhr trifft Herz. Schwerte und Florida gestalten das neue Stadtmarketing.


Florian Carevic
Geschäftsführer, Creative Director


Weitere Stories